Archiv für die Kategorie ‘EM-Kolumnen 2008’

EM KOLUMNE 2008 (5) aus WIEN – DICHTER am Ball…

Dienstag, 24. Juni 2008

( erschienen jeweils in 10 deutschen Tageszeitungen )

…sind sie nicht. Schon eher am Wort. Wenn aber die fußball- besessenen Lyriker, Romanciers und Dramatiker zweier Länder einer Sprache statt zum Laptop oder Stift zu Schienbeinschonern, Muskelöl und Fußball greifen, ist Alarm bei allen kopf gesteuerten Kickern angesagt: Österreich gegen Deutschland! Der wahre Titelkampf. wurde gestern in Wien im 10.Bezirk auf dem städtischen Sportplatz Eibesbrunnergasse 13 angepfiffen. Schließlich war wieder Montag. Doch Dichter sind einfallsreich. Es musste mehr herausspringen als ein schmuckloses 1:0-egal für wen.
Nicht Macho, Stranzl, Aufhauser und Ivanschitz gegen Lehmann, Lahm, Ballack u. Co. Nein, an diesem Montag: ging es um etwas, das dauerhaft zählt, nämlich:
Wer kann besser kicken, wer kann besser schreiben..? Ösis oder Piefkes? Erst die scharfen Flanken auf dem Platz, dann die überhöhten Gedanken im Theater.
Mit Versen auf den Lippen liefen für Deutschland strahlend ein :Albert Ostermaier, Wolfgang Maria Bauer („Siska“), Christoph Nußbaumeder, Moritz Rinke, Jochen Schmidt, Peter Döring u.a. Für Österreich grätschten, fintierten und zitierten Martin Amanshauser, Georg Bydlinski, Franzobel, Christian Nothegger, Thomas Schafferer. Anders als vor einer Woche im Praterstadion, jagte beim Kick der Dichter im 10.Bezirk ein Höhepunkt den anderen. Tore fielen wie reife Früchte und statt mit Kraftausdrücken sensible Schiedsrichterseelchen zu irritieren, wurde in ärgster Bedrängnis höchstens aus eigenen Werken zitiert. Das turbulente Gespräch mit dem Ball am Fuß endete nach 90 heißen Minuten vor 49 Intellektuellen.8:1 (3:0) für die deutschen Poeten.(Torschützen für Deutschland Schmider 3,Siska 2,Rinke 1,Siemens 1,Wagner 1).
Da jedoch die literarische Nachspielzeit im Burgtheater bei Redaktionsschluss immer noch andauerte, kann der endgültige Sieger nur erahnt werden- zumal sich ja über moderne Literatur ähnlich wie über modernen Fußball stundenlang trefflich streiten lässt. Daher gebe ich mit einem lauten „Tor für alle Dichter“ aus Wien zurück nach Deutschland.

EM Kolumne 2008 (4) – „A 100% iger Sitzer“

Donnerstag, 19. Juni 2008

( erschienen jeweils in 10 deutschen Tageszeitungen )

Ö3 live im Internet beim Spiel Österreich gegen Deutschland mit dem Reporter-Duo Adi Niederkorn und Edi Finger jun : ein Hör-Genuss, obwohl es nur Kurzeinblendungen waren. Edi oder Adi meinte mit dem „100%igen Sitzer“ die große Torchance durch Mario Gomez gleich am Anfang. Und Adi oder Edi darauf: “Da ham ma Massel ghabt“ Da wollte der deutsche (sic!) Ball halt noch nicht ins Netz der Österreicher. Aber ansonsten wollen immer mehr ins Netz, weltweit.
Längst leben wir in einer Zeit, in der man alle wichtigen Informationen aus dem weltweiten Netz holen kann. Am PC kann man bequem Radiosendungen (z.B. der BBC.) oder mitreißende EM-Radioreportagen live oder als podcast hören. Und zur neuen Bundesliga Saison 08/09 wird im Internet und nicht nur da mit „90elf“ gar das erste deutsche 24 Stunden –Fußballradio an den Start gehen.

Früher ging man in die Fußgängerzone und suchte sich Meinungen. Gab man diese dann irgendwo wider, musste man beim O-Ton-Spender vorher um die Erlaubnis gefragt haben. Im Internet kann heute jeder Meinungen absondern. Egal, ob tumb, ehrverletzend oder mitunter auch durchdacht. Meistens allerdings geschieht dies anonym und manches riecht verdammt danach, dass es mit unterschiedlichsten Absendernamen anonym und gleichzeitig sogar von zwei, drei zu kurz gekommenen Selbstdarstellern gesteuert wird.
Aber es gibt im Netz auch intelligente, witzige „Weblogs“ kurz „Blogs“ und Foren – sogar mit Namensnennung der Autoren, z.B. bei „11 FREUNDE“, „allesaussersport. de“ um nur einige wenige der Guten zu nennen. Sogar während aktueller EM-Spiele werden hier in „Echtzeit“ Meinungen ausgetauscht. Und das alles andere als zimperlich.
Genau darauf und auch auf eine anonyme Diskussion im Netz über die Reporter-Einteilung zum EM-Endspiel am 29. Juni wies dieser Tage die FAZ hin – neben der SZ für mich immerhin eine der Qualitäts-Zeitungen mit der renommiertesten Sport -und Medienredaktion.
Das wiederum verblüffte mich dann aber doch. So betrachtet ist das Internet schon jetzt mehr als nur ein “100%iger Sitzer“

EM KOLUMNE 2008 (3) – Scholl – der große Gewinner

Samstag, 14. Juni 2008

( erschienen jeweils in 10 deutschen Tageszeitungen )

Hoppla, auch ZDF- Mann Wolf- Dieter Poschmann kann’s. Und wie! Thomas Wark mit angenehmer Stimme und perfektem Deutsch und Bela Rethy ,wenngleich sprachlich gerne etwas sonderbar, sowieso. Aber dass der sonst oft langatmige Poschmann, mitgerissen von drei spannenden Spielen, plötzlich die einfache Sprache des Fußballs hörbar und glaubhaft lebt , gehört für mich zu den schönsten Überraschungen dieser Europameisterschaft. Bravo!
Aber auch die beiden ARD Männer Steffen Simon und Tom Bartels haben ihre Sache wirklich gut gemacht. Spritzig, mutig und fachlich fundiert überzeugte dabei vor allem Steffen Simon z.B. bei einer weiteren für mich persönlich völlig abseitigen Abseitsregel-Auslegung .Respekt!
Natürlich kann man bei jedem Kollegen wie bei jedem EM-Spieler immer auch Fehler oder Eigentümlichkeiten finden, vor allem dann, wenn man sie krampfhaft sucht. Für mich ist daher nur entscheidend: Hat der Reporter bzw. Kommentator eine eigene, unverwechselbare und vor allem glaubwürdige Art und klingt seine oder ihre Stimme angenehm..? Alles andere ist weitgehend Geschmackssache und zudem abhängig vom jeweiligen Spiel und der Tagesform aller Beteiligten. Dennoch: wir eher steifen Germanen könnten uns gerade beim Fernsehen einiges von den fabelhaften, eingespielten Duos der englischen oder italienischen Kollegen abschauen
Nun aber zum Besten: der erfrischend unkomplizierte Fußballfachmann Mehmet Scholl. Mehr Ehrlichkeit und ansteckende Begeisterung in den funkelnden Augen geht gar nicht. Er ist für mich jetzt schon der große Gewinner und neue Hoffnungsträger für die ARD. Ein Genuss für jeden Fußballfan ! Auch Jürgen Klopp als ZDF-Experte war wie immer großartig spontan -und das obwohl er sich gegen den TV- Rundumverköstiger Kerner durchbeißen musste.
Eine Zumutung für jeden Gebühren Zahler sind jedoch die dressierten Nachher -Quatschmacher, die mit Unterstützung von Klatschvieh unsere Nerven strapazieren und mit infantilem Gealbere (ZDF) oder klebrigen Altherrenwitzchen (ARD) dem Fußballsport schaden.