VERSPRENGTE CLUBFANS

171. Kolumne „Wir rufen Günther Koch“
NEUMARKTER TAGBLATT/MITTELBAYERISCHE ZEITUNG

www.mittelbayerische.de
PRINT: Donnerstag, 30.Oktober 2014

Ribéry spielte in Nürnberg: vergangenen Samstag, als der FC Bayern II hier gegen den 1. FC Nürnberg II antreten musste und Franck Ribérys Bruder Steeven eingewechselt wurde. In der Regionalliga! Wann und ob sein Bruder Franck mal wieder den Nürnberger Rasen betreten wird, steht derzeit in den Sternen. Leider…

Also fuhr ich zwei Tage später nach Darmstadt zum Stadion am „Böllenfalltor“. Da war ich noch nie gewesen. Auf Fahrten durch die „Gehöfte-Liga“ (eine Wortschöpfung meines ehrenwerten ehemaligen Kollegen Ludwig Maibohm) hat man als Ausgleich Zeit für Beobachtungen und Begegnungen der besonderen Art.

Gerade will ich am Hauptbahnhof in Aschaffenburg aus dem ICE steigen, um umzusteigen. In Aschaffenburg! Der Ort, an dem ich früher (am Schönbusch, wo es den besten Streuselkuchen gab!) Fußball-Zweitliga-Spiele, aber auch Deutsche Meisterschaften der Ringer im griechisch-römischen Stil und vor allem tolle Handball-Bundesliga- und Europapokalspiele des traditionsreichen TV Großwallstadt (auch sie spielen mittlerweile in der 2. Liga) übertragen habe.

Da grüßt mich plötzlich ein groß gewachsener junger Mann von kräftiger Statur milde lächelnd. Wird wohl ein ebenfalls verspäteter Club-Fan sein?, frage ich mich. Immerhin ist es da schon gegen dreiviertel sieben Uhr am Abend. Nun heißt es erst mal flott umsteigen in den Regionalexpress nach Darmstadt.

Dort soll nämlich um Viertel nach Acht am sagenumwobenen „Böllenfalltor“ das Spiel der Lilien gegen den Club beginnen. Ankunft am Hauptbahnhof in Darmstadt ist erst gegen halb acht. Ganz schön kurz vor knapp also. Und der junge Mann? Rennt mit mir denselben Weg zum andern Bahnsteig.

Also doch: Ein versprengter einzelner Club-Fan! Aber das eigentlich Überraschende für mich kommt erst: Neugierig, wie man als Journalist so ist, frage ich ihn im Regionalzug dann unter anderem auch nach seinem Beruf. Da sagt er schlicht: „Arzt“. Sofort bohre ich nach: „ Heute Dienst gehabt?“ – „Ja, bis 16 Uhr im Krankenhaus!“ Und morgen?“ – „ Da fang ich wieder um halb acht an!“ Zurück wolle er einen Fanbus nehmen und Eintrittskarte hat er auch noch keine.

Mir bleibt die Spucke weg. Genauso wie beim Spiel gegen den SV Darmstadt 98, vor allem, als ich mir in dem wunderbar altmodisch-engen und unwegsamen Stadion-Kasten die Fan-Gesänge der Einheimischen nach deren 3:0 gegen uns anhören musste: „Gegen Darmstadt kann man mal verlier’n.“ Der einzige Trost für mich in der 2. Bundesliga: So komm’ ich in Stadien, in denen ich noch nie war. Als nächstes also Sandhausen. Doch da bleib’ ich lieber weg. Auf Mitleidsbekundungen von Taxifahrern kann ich nämlich gerne verzichten. Und erst Recht auf ein nach dem Spiel dann möglicherweise nötiges Wiedersehen mit dem Club-Fan am nächsten Tag in aller Früh…

 

Tags: , ,

14 Antworten zu “VERSPRENGTE CLUBFANS”

  1. Michael Fischer sagt:

    Ich war einmal am Bölle – damals anno 85, beim unglaublichen 4:0 am vorletzten Spieltag! So spielte ein Aufsteiger!
    Ja, das war mal eine Club-Elf!

  2. GueKo sagt:

    und dann kam am 9.6.85 Thomas Brunner (und mein erster Herbert-Zimmermann-Preis : “ Noch 12, noch 11, noch 8 Meter- Schuss…: und BUNDESLIGA DAS ist die BUNDESLIGA !“ Der eigentliche Held aber für mich zumindest war Herbert HEIDER, der mit waghalsigem Einsatz (trotz Schulterverletzung…) das 1:1 unmittelbar vor Brunners 2:0 verhinderte und danach nie mehr spielen konnte.. Bei 1:1 wäre Hessen Kassel aufgestiegen.
    Und noch was: bewu0t habe ich für den OB-Wahlkampf der nächsten Jahre den Stadion-AUSbau eingeläutet:“ meld mich aus dem Nürnberger ALTBAU-Stadion..!“ Da warn nicht alle Nürnberger Kommunalpolitiker begeistert- aber die SPD kam in ZUGZWANG.. und die CSU zog nach..Ähnlich wars 2003 mit meiner für viele witzigen Forderung nach einem „STAATS-Theater für Nürnberg… 9 Wochen später machten das dann hoppla hopp Stoiber und Beckstein-
    vor den Landtagswahlen…
    But:what shall’s?

  3. Michael Fischer sagt:

    Also Günther, Herbert Heider spielte danach noch ein ganzes Jahr!.

  4. GueKo sagt:

    WO?? und wie oft???

  5. Manfred sagt:

    Der Gästeblock war gegen 19:40 ausverkauft, es gab einige, die draußen bleiben mussten. Ob der versprengte Clubfan noch eine Karte bekommen hat?! Naja, als Einzelner geht es sich eigentlich immer aus. Für was Essbares hat man auch während des Spiels mehr als eine Viertelstunde an einer einzelnen Bude warten müssen, naja, einmal so ein Stadion reicht. Obwohl man sich an solche Stadion wieder gewöhnen muss, denn 1. Bundesliga wird der Club nicht mehr oft spielen. Allein schon, weil die Bundesliga immer mehr zur Werbefläche oder Spielball von Konzernen oder Milliardären wird.

    Die Leistung heute, von Leistung kann man eigentlich nicht sprechen, war wieder unterirdisch. Dabei kann man der Mannschaft ja nicht mal den Einsatz absprechen. 12 Spiele, 22 Gegentore, eine Abwehr die keine ist. Fehlpässe ohne Ende, Kick and Rush nach dem Prinzip Zufall nach Vorne! Und Pinola ist einfach nur noch peinlich! Diese Mannschaft kann nicht viel besser, wir müssen froh sein, wenn frühzeitig die Klasse gesichert werden kann.

  6. Günther sagt:

    so eine schwache Mannschaft wie die von St.Pauli muss man auch erst mal suchen

  7. wallys sagt:

    Fahrt mal nach Heidenheim…da beginnt der Spaß schon auf den Weg nach oben 😉

  8. GueKo sagt:

    2.Mannschaft: heute wirklich gut und überzeugend 2:0 gegen Schalding-Heiding (Passau):
    Radlinger/ Pötzinger, Hovland, Erras, Kerschbaum, Spies (heute auf seiner angestam,mten Position !) , Bulthuis, Ott (1) ,Özdemir (Jg.95!!) Dittgen (!) Knezevic (! und beide Treffer zum 2:0 -) sowie Wolf und Theisen
    Zuschauer:211 (und Ismael und Stilz und Klewer)

  9. Michael Fischer sagt:

    Was heißt hier wo und wie oft? Natürlich beim Club! Kann man auch auf Wikipedia nachlesen: “ Nach dem Abstieg des 1. FC Nürnberg in die 2. Bundesliga 1984 wurde er Stammtorhüter und nach Wiederaufstieg 1985 durch seine Paraden im entscheidenden Spiel gegen Hessen Kassel als Aufstiegsheld 1985 gefeiert. Heider erlitt am 18. Januar 1986 eine Schulterverletzung gegen den SV Waldhof Mannheim und wurde letztlich Sportinvalide, obwohl er noch bis Ende 1986 im Kader des 1. FC Nürnberg stand.“

  10. Michael Fischer sagt:

    P.S.: Die Formulierung „obwohl er noch bis Ende 1986 im Kader des 1. FC Nürnberg stand“ in der Wikipedia ist stark untertrieben, denn tatsächlich stand Heider nach der erlittenen Schulterverletzung in jedem Spiel bis zum Saisonende zwischen den Pfosten.

    Das wirkt etwas irritierend, denn gemeinhin könnte man dann sagen, so schlimm kann die Verletzung ja gar nicht gewesen sein. Vermutlich hat er sie aber nicht richtig ausheilen lassen.

    Jedenfalls erlitt er diese ominöse Schulterverletzung erst viel später und war im Spiel gegen Kassel vermutlich topfit. Ein typischer Fall von nachträglicher Legendenbildung.

  11. GueKo sagt:

    DANKE für die Aufklärung!!!!

  12. Michael Fischer sagt:

    Gern geschehen!
    Noch eine Frage: Wie ist Dir eigentlich das Kassel-Spiel in Erinnerung geblieben? Die Wikipedia schreibt über Heider, er wurde: „…durch seine Paraden im entscheidenden Spiel gegen Hessen Kassel als Aufstiegsheld 1985 gefeiert.“

    Iich war ja damals im Stadion und habe den Spielverlauf derart in Erinnerung, daß Heider praktisch nur einen einzigen Ball halten mußte, nämlich den in der allerletzten Minute. Und sogar da fand ich war es weniger eine Parade als dass vielmehr dem Kasseler Spieler (ich meine, es war Deuerling) einfach die Nerven versagten.

    In der ersten Halbzeit war es meiner Erinnerung nach vor allem vom Club ein verkrampftes nervöses Spiel. Nach dem Platzverweis des Kasselers war dann die gesamte 2.Halbzeit ein einziger Sturmlauf vom Club, der auch nach dem Führungstor nicht abriß, wodurch man naiverweise in der Schlußminute in diesen entsetzlichen Konter lief, den ein routinierter Spieler vermutlich eiskalt abgeschlossen hätte.

  13. Michael Fischer sagt:

    Und noch eine Anmerkung: Ich meine mich gut zu erinnern, daß Herbert Heider im Spiel in Mannheim dem Club mit einer Vielzahl von Paraden den wichtigen 1:0 Sieg rettete – also genau in dem Spiel, in welchem er sich die Schulterverletzung zuzog!

  14. Manfred sagt:

    Sandhausen, 4. August vergangenen Jahres. Der Club scheidet nach Elfmeterschießen zum 2. Mal in Folge in der 1. Runde des DFB Pokals aus. Nach ohnehin schlechter Vorbereitung und Abgängen wie Simons blickt der Anhang mit Sorge auf das 5. Jahr Bundesliga in Folge. Was seit diesem Tag folgte, hätte wohl selbst der größte Pessimist nicht für möglich gehalten.

    15 Monate später nun also wieder ein Gastspiel in Sandhausen. Der Club nicht mehr Favorit, sondern bei einer Niederlage hinter Sandhausen in der Tabelle der 2. Bundesliga am Abgrund stehend, mit einem Team, dessen Zweitligatauglichkeit weiter hinterfragt werden darf! Ob uns das wenigstens erspart bleibt?!

Hinterlasse eine Antwort