JA, WO SAMMA DENN..?
121. Kolumne in der Reihe „Wir rufen Günther Koch“
heute letzte EM-Kolumne
Neumarkter Tagblatt / Mittelbayerische Zeitung Ausgabe, 04.07.
vgl.auch www.mittelbayerische.de
Im Sommer kommt der Sammer. Ja, wo samma denn? Euro 2012? Das war gestern! Das Maß aller Dinge ist der FC Bayern München. Uli Hoeneß räumt auf. Nachdem er nicht sich selbst wegräumen kann, macht der bis vor Jahren einmal höchst erfolgreiche Fußball-Geschäftsmann aus Ulm das knallhart mit seinem braven, loyalen Platzhalter, dem Forstenrieder Christian Nerlinger.
Der FC Bayern München hat in den letzten Jahren viel mehr als nur einige Titel verspielt. Dies war jedoch mit Sicherheit nicht Christian Nerlingers Schuld. Nun musste bei den Bayern ein Bauernopfer her. Doch es gibt noch ein zweites „Opfer“.
Uli Hoeneß beginnt tatsächlich damit, seine Allmacht abzugeben. Klug wie er ist, weiß er, dass einzig ein Mann vom Format eines Matthias Sammer in seine Fußtapfen und aus dem Schatten des jetzigen FCB-Präsidenten treten kann. Doch das hätte Uli Hoeneß schon 2009 wissen und tun müssen.
Auch die EM-Halbfinal-Niederlage von Jogi Löws DFB-Auswahl gegen Italien war letztlich eine weitere, insgesamt sogar die vierte große sportliche Niederlage des FC Bayern im Jahre 2012. Überraschender Weise standen in der Anfangself plötzlich wieder sieben FCB-Kicker.
Also kein Reus und auch kein Klose, dafür aber Gomez und Podolski und ein offenbar nicht völlig fitter Bastian Schweinsteiger. Wer oder was Jogi Löw dazu bewegt hat, auf Reus und auf Klose, aber auch auf Bender und Schmelzer zu verzichten, werden wir nie erfahren.
Meine Kollegen von Talksport London und von der BBC waren ge- nau so überrascht und fragten mich nach dem Spiel immer wieder live on Air: „Günther, tell us, what happened?“ Ich weiß es nicht.
Keiner weiß es. Ausgerechnet im Halbfinale gegen Angstgegner Italien setzt Jogi Löw auf die beinah komplette Bayern-Riege und das war falsch. Und doch bleibe ich dabei: Deutschland hat eine gute Mannschaft, und einen guten Bundestrainer, der bis zum Halbfinale alles richtig gemacht hatte.
Die abermalige Niederlage gegen die abgebrühten Italiener ist kein Weltuntergang, sondern lediglich das, womit man im Sport immer auch rechnen muss. Ob eine andere deutsche Elf besser ausgesehen und vor allem abgeschnitten hätte, bleibt zudem hypothetisch.
Was die Spanier aber dann im Endspiel bei ihrem glanzvollen 4:0-Triumph über Italien boten, grenzt an Fußball-Zauberei und ist so was von schön, dass wir uns alle lieber darüber freuen sollten, statt unsre Spieler zu beleidigen und mit billigem Spott zu übergießen. Das haben sie nicht, Bundestrainer Jogi Löw und sein Team nicht und das hat vor allem unser schöner Fußballsport nicht verdient.
Tags: Bauernopfer, EURO 2012, Fußballsport, Italiener, Macht, Sammer, Spanier, Uli Hoeneß
04. Juli 2012 um 8:08
Also Günther, vielen Dank für die profunde Analyse, denn bis zu diesem Moment habe ich tatsächlich geglaubt, unserer Kicker hätten gegen Italien verloren, weil sie nicht aus Leibeskräften gesungen haben …
Obwohl es mir schon etwas komisch vorkam, nachdem die Spanier den Mund nicht aufgemacht hatten und eigentlich chancenlos hätten sein müssen.
04. Juli 2012 um 13:13
Hallo Günther,
also ich bleibe dabei: Schweinsteiger hat das ganze Turnier durchgespielt, keine guten Leistungen gezeigt (mit Ausnahme des Holland-Spiels) und jetzt kommt die Ausrede, dass er gar nicht fit gewesen ist.
Natürlich war er nicht fit, aber warum sagt er das nicht früher?!? Ein Toni Kroos/Götze hätte die Position wunderbar übernehmen können.
… aber danach sind wir ja alle schlauer 🙂
04. Juli 2012 um 14:14
angeblich (Helmers Aussage in irgendeinem TV-Sender) soll Schweinsteiger Löw sogar „angeboten“ haben nicht böse zu sein, falls er nicht spielt…Habt Ihr das gehört oder gelesen bzw. glaubt Ihr das..?
Danke für Eure Kommentare
04. Juli 2012 um 14:14
Thomas Müller war ebenfalls weit hinter seinen Möglichkeiten, Boateng ein Sicherheitsrisiko und Badstuber beim letzten Spiel komplett woanders, als er sein sollte. Von Özil haben wir gg. Italien ebenfalls kaum etwas gesehn, Lahm gg. Balotelli natürlich vollkommen überfordert und chancenlos. Was Gomez in den ersten beiden Begegnungen positiv überrascht hat, war danach genau umgekehrt. Müssen wir Podolski noch anlysieren? Khedira könnte eine Führungspersönlichkeit werden, jedoch braucht es (naturgemäss) noch eine weitere, konstantere Entwicklung.
Im Endeffekt bleibt festzustellen: Italien war an diesem Tag besser als wir. Und ein paar Tage später war Spanien (und fitter) wiederum besser als Italien. Ich denke, man kann damit leben.
Klar sind die Entscheidungen von Joachim Löw im Nachhinein kritikabel. Doch wie wir uns alle einig sind, eben hinterher festgestellt. Da war es schon zu spät 😉