Nur die Kleinen weinen

179. Kolumne „Wir rufen Günther Koch“
NEUMARKTER TAGBLATT/MITTELBAYERISCHE ZEITUNG
vgl. www.mittelbayerische.de
Print vom 28.05.2015

Die Kleinen weinen: immer die Kleinen! Nie die Großen! Nie der HSV. Nix gegen den HSV, aber mir war es schon vor dem angeblich spannendsten letzten Spieltag aller Zeiten klar, dass es die Kleinen, also Paderborn und Freiburg und nicht Berlin, Hannover oder Hamburg erwischen würde.

Die Kleinen sind jetzt am Abgrund. So wie wir damals 1999. Wenngleich die damit vermutlich besser leben können als wir Dauer- Auf- und Absteiger. Halt: Auch aus der Zweitklassigkeit kann man absteigen. Den Club hat’s nicht er- wischt. Wenngleich selbst diese Gefahr mitunter vorhanden war – jedenfalls mindestens so oft wie der anvisierte Aufstieg. Und wer musste Sonntag in der 2. Liga weinen? Richtig: auch hier wieder nur die Kleinen! Die da heißen: VfR Aalen und die tapferen Erzgebirgler aus Aue. Nicht die Großen wie der FC St. Pauli Hamburg, der FSV Frankfurt, die SpVgg Greuther Fürth und (hoffentlich) auch nicht der TSV 1860 München.

Ganz großartig und überragend, was der FC Augsburg geleistet und erreicht hat. Vor einigen Jahren noch Regionalliga und 3. Liga, dann 2. Liga, jetzt Platz fünf in der Bundesliga und die direkte Qualifikation für die Europa-Liga: „Augsburg grüßt Europa!“ bin ich da versucht zu rufen. Bravo, Bravo!

Dass der FC Bayern München wie fast immer Meister wurde, ist berechtigt und langweilig zugleich. Beachtlich jedoch ist der Siegeszug der Ingolstädter und Beispiel gebend, wie sportlich anständig sie als bereits feststehender Aufsteiger sich am letzten Spieltag in Kaiserslautern präsentierten (1:1). Gar märchenhaft ist die Erfolgsgeschichte des SV Darmstadt 98: Als Last-Second-Aufsteiger aus der 3. Liga sofort auch Aufsteiger aus der 2. Liga in die Bundesliga! Unfassbar! Und das in einem altmodischen Stadion mit einem erlaubten Fassungsvermögen von nur 16 000 Zuschauern und Umkleidekabinen mit morbidem Charme, die es in der Kreisliga so nicht mehr oft gibt.

Liegt es also womöglich doch nicht am Stadion? Die Auswahl aufrechter Charaktere, unverdorbener Fußballer und ein flachhierarchisches Klima in einer Mannschaft ohne Erbhöfe und vor allem ein nicht gespaltenes Umfeld und Fanlager sind offenbar viel wichtiger!

Und wo wandert eigentlich Nürnberg und unser 1. FCN? Im Radio hört man von Nürnberg ja fast nur noch in den Stau-Meldungen. Und selten vom Club aus Nürnberg. Als Bayerns momentane Nummer vier spaziert dieser genügsam durchs Niemandsland der Heidenheim/Sandhausen-Liga. Manchem mag das reichen, weil er die Zweitklassigkeit gar nicht spürt und sich durch Schönwetter-Parolen und (Frei-)Bier ruhig stellen lässt.

Falls das so bleibt, müsste ich 2016 noch entsetzter und verzweifelter als 1999 – dann aber a u s dem Abgrund – rufen: „Ich halt’ das nicht mehr aus! Ich will das nicht mehr seh’n! “ Noch aber bleiben mir und allen aufrechten Cluberern durchaus diverse Hoffnungs-Schimmer.

 

 

Tags: , , , , , , , , , , , ,

2 Antworten zu “Nur die Kleinen weinen”

  1. Volker sagt:

    Als Augsburger mit Clubherz kann ich dem nur zustimmen. Es sind charakterstarke Spieler und ein kompetentes sportliches Führungsduo (Weinzierl,Reuter), die den Erfolg hier ermöglichen. Dazu die Ruhe im Umfeld und Geduld bei den Fans.

    Wobei ich hier den Club – wie auch auch viele weitere sehr große Traditionsvereine (1860, HSV usw) – in Schutz nehmen möchte. Gerade aufgrund deren Größe und Strahlkraft gibt es viele gespaltene Lager im Umfeld.

    Da haben es die Augsburgs und Darmstadts in Fußballdeutschland einfacher

  2. GueKo sagt:

    Sehr interessanter und kluger Hinweis! Danke!

Hinterlasse eine Antwort